Im agilen Umfeld zählt der Flow. Dies gilt unserer Ansicht nach in besonderem Maße für unsere Kommunikation und führte uns daher zu nachstehenden Fragestellungen.

  • Wie steht es um den wirksamen Austausch der Menschen in deinem Team?
  • Wodurch wird aufrichtiges Feedback begünstigt?
  • Wie kann Feedback zwischen Kollegen möglichst gut fließen und was bewirkt es?

Wir haben uns diesen Fragen gewidmet und im Ergebnis unsere Kommunikationskultur ergänzt. Und wir stellen es euch vor: Peer Feedback.

Peer [pʰɪə̯]: Somebody who is, or something that is, at a level equal (to that of something else).

Feedback [ˈfiːtbɛk]: die Bekanntgabe einer Wahrnehmung oder die Beurteilung von etwas, die wiederum zur Veränderung bzw. Verbesserung dieser Sache genutzt werden kann

Feedback ist wertvoll. Und eine Selbstverständlichkeit?

Jeder der sich ansatzweise mit Agile und Lean beschäftigt weiß, dass eine offene Kommunikationskultur positive Veränderungen begünstigt. Das gegenseitige Feedback wird entsprechend in der agilen Szene mantra-artig empfohlen. Auch darüber hinaus ist Feedback einer der populärsten und strapaziertesten Begriffe unserer Zeit. In der Praxis wird infolgedessen häufig über Feedback gesprochen und vermeintlich emsig Rückmeldungen gegeben. Dennoch bleiben für den Feedbacknehmer nicht selten wertvolle persönliche Erkenntnispotentiale unangetastet. Dies hat unter anderem folgende Ursachen.

  • Nicht empfangsbereit: Feedback erreicht den Adressaten ungefragt bzw. unvorbereitet in einem anderen Kontext.
  • Vertikal: Qualifiziertes Feedback erfolgt punktuell dezidiert in Status-/Performance-Gesprächen (auch im agilen Umfeld vor allem aus der Richtung ScrumMaster / Teamlead / Coach / PO in Richtung Team). Weitaus seltener werden von direkten Kollegen qualifizierte Rückmeldungen in Richtung einer Einzelperson gegeben.
  • Unvorbereitet: Es wird sich nicht genügend Zeit für Vorbereitung und das Führen eines Feedback-Zwiegesprächs genommen, indem Stärken und Potenziale angesprochen werden. Stattdessen wird lobendes oder kritisches Feedback spontan artikuliert (was ebenfalls wertvoll sein kann).
  • Ungewohnt: Aufgrund der o.g. Punkte wird Feedback nicht als Chance zur persönlichen Weiterentwicklung verstanden und infolgedessen mit (offenen oder unausgesprochenen) Rechtfertigungen quittiert.
  • Öffentlich: Die Gelegenheiten für ein anlassbezogenes Vier-Augen-Gespräch im vertraulichen Rahmen unter Kollegen zu Verhalten und Wirkung werden selten gesucht und genutzt.

Feedback im Sinne dieses Artikels meint die individuelle Rückmeldung an einen unmittelbaren Kollegen (Peers) über dessen Verhalten und Wirkung. Hier ist die direkte Kommunikation der Peers essentiell. Inspiriert sind unsere Überlegungen zum Peer Feedback aus den Ideen des 360° Feedbacks und der Peer Reviews.

Ich sehe was was du nicht siehst … blinde Flecke bei dir und bei mir.

Selbst in gestandenen und vertrauten Teams ist es wichtig, explizite Gelegenheiten für Zwiegespräche der Kollegen untereinander zu schaffen. Denn im Alltag und insbesondere im öffentlichen Raum (z.B. bei Retros) wird über Lob hinausgehendes persönliches Feedback schwierig. Das Johari-Fenster veranschaulicht den Umstand, dass Wahrnehmungslücken bei jedem Einzelnen existieren (sog. Blinder Fleck). Die Rückmeldungen anderer tragen dazu bei, Ansatzpunkte zur Reduktion des Blinden Fleckes zu finden und sind deshalb so wertvoll.

Johari Fenster

Johari Fenster public domain, Wikimedia Commons

Die Idee des Peer Feedback als 4-Augen Gespräch schafft expliziten Raum für Feedback-Dialoge, bei denen der individuelle blinde Fleck des Feedbacknehmenden beleuchtet werden darf.

Hauptvorteil der Peer Feedback – Idee liegt in der selbstbestimmten einfachen Methode, die eigenen Kollegen um qualifizierte Rückmeldungen zu bitten. Daraus lassen sich folgende Vorteile ableiten.

  • Selbstbestimmter Zeitpunkt und Kontext des persönlichen Feedbacks
  • Selbstbestimmte Auswahl der Peers und damit der Vielfalt des Feedback-Perspektive
  • Die persönliche Ansprache/Einladung des Feedbackgebers ist ein explizites Signal, dessen Sichtweisen und und Meinungen zu schätzen und kennenlernen zu wollen
  • Rückmeldungen im persönlichen Gespräch ermöglichen direktes Nachfragen zum besseren Verständnis
  • Eigenverantwortlicher selbstbestimmter Umgang mit den Ergebnissen des Gesprächs, z.B. zur Vorbereitung von Ziel- und Entwicklungsgesprächen.
  • Zwiegespräche im geschützten Rahmen wirken sich vertrauens- und verständnisfördernd aus.

Der Feedbacknehmer hat somit die Möglichkeit die Kenntnis über seinen Handlungsspielraum zu erweitern, indem er sich (zuvor) unbekannter Punkte bewusst wird, die für seine Peers mehr oder weniger deutlich erkennbar sind.

Ablauf des Peer Feedbacks

Es ist denkbar einfach, an hilfreiche Rückmeldungen zu gelangen. Die nachfolgende kurze Anleitung richtet sich für denjenigen, der Peer Feedback für sich nutzen möchte.

Ablauf Peer Feedback

1. Nominierung des/der Peers

Wenn du dich entschlossen hast Peer Feedback einzuholen, sprich deine Peers persönlich an und erkläre ihnen, dass ihre Meinung wichtig für dich ist und du sie um Feedback zu deinem Verhalten einlädst. Es empfiehlt sich die individuelle Ansprache eines jeden Peers, denn ihr werdet jeweils 4-Augen-Gespräche führen. Falls dich besondere Situationen interessieren teile dies mit, z.B. wenn du wissen möchtest wie du im letzten Projekt gewirkt hast, ob sich seit dem Beginn deines Hausbau etwas verändert hat oder wie du im Bezug auf eine bestimmte Situation wahrgenommen wirst. Alternativ kannst du deinen Peer um völlig freies Feedback bitten. Unserer Erfahrung nach werden deine Peers in den allermeisten Fällen zusagen. Du solltest allerdings auch Verständnis dafür haben, wenn ein Peer einmal keine Zeit oder Muße hat sich auf das Gespräch einzulassen. Frage dann einfach einen anderen Peer an. Nun fehlt nur noch ein gemeinsamer Termin für euer Gespräch, der dem Feedbackgeber genügend Zeit zur Vorbereitung lässt.

2. Vorbereitung des Feedbacks

Die Vorbereitungszeit sollte für den Feedbackgeber nicht mehr als 15-30 Minuten dauern. Alles was bis dahin formuliert ist wird bereits wertvoll für deinen Gegenüber sein. Es bietet sich an über Stärken und Potentiale des Feedbacknehmers (z.B. Alice) nachzudenken. Als Anregungen können nachstehende Fragestellungen dienen.

  • Was sind Stärken von Alice? Wann und wie zeigen sich diese Stärken?
  • Gibt es eine Seite an Alice, die sie deiner Meinung nach stärker entwickeln sollte? Gibt es Potentiale, die Alice noch nicht ausschöpft?
  • Beschreibe eine Situation, in der Alice deiner Meinung nach besser hätte agieren können. Was hätte sie anders machen können?
  • Ist dir etwas an Alice Handlungen aufgefallen, was dich irritiert und ihr so vielleicht nicht bewußt ist? Oder gibt es etwas in Alice Verhalten, dass sie verändern oder stoppen sollte?

Mit den gefundenen Gedanken und Notizen ist eine gute Basis für das anschließende Gespräch gesetzt.

3. Feedback Zwiegespräch

Für euer Gespräch zieht ihr euch idealerweise an einen ruhigen Ort mit angenehmer Atmosphäre zurück. Zunächst kann es sein, dass sich diese offene Gesprächssituation im ersten Moment neu für euch anfühlt. Das ist normal. Üblicherweise kommt das Gespräch schnell in einen wertschätzenden und vertrauensvollen Modus. Günstig ist in jedem Fall die Einhaltung allgemeiner Feedbackregeln (siehe weiter unten).

Starthilfe für Peer Feedback in der Organisation

Wir haben die Idee des Peer Feedback seinerzeit in unseren Teams persönlich vorgestellt um erste Reaktionen und Fragen direkt mit allen zu teilen. Immer wieder tauchte die Frage auf „Was kann ich tun, damit das Gesagte gut ankommt und keine Missverständnisse entstehen?“. In dieser Äußerung zeigt sich für uns der Wunsch zu behutsamen Rückmeldungen, die beim anderen ankommen, aber ihn nicht verletzen. Diese Haltung ist gute Ausgangsvoraussetzung für einen offenen Austausch. Darauf aufbauend ergab sich zudem eine gute Gelegenheit um Dos and Don’ts von Feedback-Kommunikation zu wiederholen 🙂

Als kleine Stütze dienen in diesem Zusammenhang der Feedback-Spickzettel und der Peer Feedback Stift. Diese Gimmicks sollen als Referenz und gedanklicher Anker für die Möglichkeit des Peer Feedbacks dienen. Ob, wie und wann Peer Feedback für jeden Einzelnen zur Anwendung kommt, entscheidet jeder individuell für sich.

PF Gimmicks

Unsere praktischen Erfahrungen…

… werde ich in einem späteren Blogpost beschreiben. Stay tuned!

Hast du Erfahrungen mit Peer Feedback? Ich freue mich über Anregungen, deine Meinung und/oder Fragen in den Kommentaren.