Wir veranstalten seit 2008 regelmäßig alle fünf Wochen einen Hypoport internen IT Wissenstag. Dieser bietet uns die Möglichkeit uns über existierende wichtige Themen nicht nur Team-, sondern auch Geschäftsfeld-übergreifend auszutauschen. Die Inhalte werden von den Mitarbeitern bestimmt und organisiert und umfassen das gesamte Spektrum von fachlichen und technischen Themen. Wir wollen damit kommende Probleme innovativ lösen, eingetretene Pfade verlassen und attraktivere Produkte entwickeln.

Spielerisch lernen

Eine wichtige Voraussetzung für Kommunikation und Zusammenarbeit ist das Verständnis für agile Prozesse. Etwas spielerisch zu erleben kann hier viel wichtigere Erkenntnisse schaffen, als das theoretische Vermitteln von Prinzipien und Prozessen. Im Folgenden wollen wir von unseren Erfahrungen mit spielerische Ansätzen der Wissensvermittlung berichten.

Marshmallow Challenge

Eine gute Möglichkeit, um einige Ideen hinter agilen Prozessen zu erleben, ist die sogenannte Marshmallow Challenge. Die zentralen Aspekte dieses Spiels sind die Zusammenarbeit und Selbstorganisation in einem Team und das Finden von kreativen Lösungen. Die Teilnehmer erfahren, warum iteratives Vorgehen mit schnellen Feedback Zyklen und ständiger Verbesserung bei der Bewältigung unbekannter Herausforderungen so erfolgreich ist.

Die gegeneinander antretenden Teams sollen innerhalb von 18 Minuten einen möglichst hohen freistehenden Spagetti Turm mit einer Marshmallow Spitze bauen.

Ihnen stehen für die Herausforderung folgende Materialien zur Verfügung:

  • 20 Spagetti
  • ein Meter Schnur
  • ein Meter Klebeband
  • ein Marshmallow

Vier Teams bestehend aus 4 bis 5 Mitgliedern aus den unterschiedlichen Bereichen stellten sich an einem Wissenstag diesem Wettstreit. Die Teams legten mit viel Kreativität und Engagement los und man sah Wunderwerke in den Himmel wachsen. Hierbei verfolgten die Akteure die unterschiedlichsten Strategien und brachten die größte Unbekannte, den Marshmallow, unterschiedlich früh in Spiel. Von einer erfolgreichen „Ta-Da“ Präsentation des höchsten Turms, bis zu einem „Oh-Oh“ einer der Schwerkraft Tribut zollenden Konstruktion Sekunden vor der offiziellen Messung, war alles vertreten.

Unsere langjährige Erfahrung mit agilen Prozessen spiegelte sich auch in dem Gesamtergebnis wieder. Drei von vier Teams erbauten 70 bis 75 Zentimeter Höhe Türme. Laut Tom Wujec liegt die durchschnittlich erreichte Turmhöhe bei rund 50 cm. Es wird vielleicht für Überraschung sorgen, welche Menschen die kreativsten und höchsten Türme bauen.

Wer diese Teams neben uns sind und weitere Hintergründe zur Marshmallow Challenge finden sich im TED Talk von Tom Wujec und dem dazugehörigen Blog. Mit viel Spaß die Grundprinzipien von agilen Prozessen zu erleben, war eine spannende und empfehlenswerte Erfahrung.

Kanban Pizza Game

In unseren vorherigen Artikeln zu Kanban in der Softwareentwicklung – Praxis-Check bei Hypoport und Kanban & Kaizen – Fallstudie hat Andreas bereits von unseren Kanban Erfahrungen berichtet. Wir haben bei Hypoport viele produktübergreifende Projekte, in denen sowohl Scrum als auch Kanban Teams in die Produktentwicklung involviert sind.

Mit dem Einsatz beider Ansätze ergaben sich verschiedene Fragenstellungen, z.B.:

  • Was unterscheidet Scrum von Kanban, wo beide Ansätze doch eine große Schnittmenge der Werte und Prinzipien haben?
  • Wie fühlt es sich an mit Kanban zu arbeiten?
  • Was hat es mit Flow, Pull statt Push und fortwährender Verbesserung auf sich?

Diesen Fragen haben wir uns an unserem letzten Wissenstag mit dem Kanban Pizza Game von agile42 spielerisch genähert. Beim Kanban Pizza Game bekommen die Mitspieler ein Gefühl für die Einführung von Kanban auf einem beliebigen Prozess. Im Vordergrund steht das Erleben und Fühlen von Kanban, das Verinnerlichen von Pull statt Push und warum ein gleichmäßiger Fluss in Kanban so wichtig ist.

Ziel des Spiels ist es als Team möglichst viele fertige Pizzastücken zu produzieren. Gespielt wird in Teams mit 4 bis 5 Personen, die sich nicht nur auf die Produktion der Pizzastücken konzentrieren können, sondern gleichzeitig Verschwendung vermeiden und sich auf Änderungen einstellen müssen.

Erste Runde

Stellen wir uns folgende Situation vor: Wir eröffnen einen neue Pizza Bäckerei und wollen zu Beginn so viele Hawaii Pizza Stücke wie möglich herstellen. Es ist unser Eröffnungstag und wir verschenken Pizza Stücken an viele Kunden, um unser Geschäft zu etablieren.

Kanban kann mit sehr wenigen Veränderungen auf jeden existierenden Prozess angewandt werden. Die Teams starten in die erste Runde und etablieren einen „natürlichen“ Prozess für die Pizza Produktion.

Die konkreten Vorgaben lauten: „Produziert so viele Pizza Stücke wie möglich und vermeidet Verschwendung!“

Ein fertiges Pizzastück Hawaii Pizza besteht aus:

  • einem dreieckigen Pizzaboden aus einem Papierstück mit genicktem Rand
  • roter Tomatensause, aufgebracht durch einen roten Edding
  • 3 Stücken Schicken aus orangem Papier
  • 3 Stücken Ananas aus gelbem Papier
  • und jedes Pizza Stück muss im Ofen (einer gekennzeichneten Station mit unten stehenden Regeln) gebacken werden

Nach einer vorher nicht angegeben Zeit wird die erste Runde beendet und jedes fertig produzierte Pizzastück wird mit 5 Punkten bewertet. Die Teams zählen stolz die erreichten Punkte.

Aber es gab noch die im zweiten Teil des Satzes formulierte Vorgabe, die Auswirkungen auf die erreichten Punkte hat. Vermeidet Verschwendung! Dies traf die Teams hart.

Von der Gesamtsumme werden nun Punkte für jedes Materialstück innerhalb des Fertigungsprozesses abgezogen. Dies bedeutet konkret:

  • minus 2 Punkte für einen Pizzaboden
  • minus 1 Punkt für zwei Belagstücke (Ananas- oder Schinkenstück)

Im nächsten Schritt werden die Grundpraktiken von Kanban auf den aktuellen Prozess angewandt:

  • die Visualisierung des Prozesses durch Abteilen der einzelnen Arbeitsstationen
  • die Begrenzung der Menge angefangener Arbeit durch Setzen eines Limits an den Stationen
  • der Messung und Optimierung des Durchlaufens der einzelnen Arbeitspakete durch den Prozess (Durchfluss), wird nach jeder Runde durch das Punktesystem für fertige Pizzastücken und Punkteabzug für nicht verwendete Materialien repräsentiert

Zweite Runde

Die Teams erhalten 5 min Zeit die Stationen durch Klebeband auf dem Tisch zu visualisieren, Limits für diese Stationen zu definieren und ihren Prozess zu verbessern.

Die zweite Runde startet und die Teams produzieren wie in der vorherigen Runde Hawaii Pizzastücken und zählen im Anschluss die Punkte.

Dritte Runde

„Jetzt wird es ernst. Unser Pizza Laden nimmt seinen regulären Betrieb auf und wir produzieren auf Bestellungen.“

Auf einer Bestellung befindet sich die Anzahl der zu produzierenden Pizzastücken und es werden nur fertige Bestellungen gewertet. Die Teams erhalten 2 min Zeit ihren Prozess anzupassen bevor es in die dritte Runde geht.

Vierte Runde

Wie im echten Leben bekommen wir Anforderungen, die unsere bisherigen Prozesse durcheinander bringen. „Unser Pizza Laden expandiert und wir nehmen als zusätzliche Sorte die Rucola Pizza mit auf.“

Eine Rucola Pizza besteht aus:

  • einem dreieckigen Pizzaboden mit genicktem Rand
  • roter Tomatensause
  • 7 Rucola Streifen aus grünem Papier
  • jedes Pizza Stück muss im Ofen gebacken werden
  • der Rucola muss nach dem Backen auf die Pizza gelegt werden, da er ansonsten im Ofen verbrennt

Das Kanban Pizza Game hat allen Teilnehmern eine Menge Spaß gemacht und konnte die Grundprinzipien von Kanban gut vermitteln. Gerade die Reflektionsphase regt zu Gesprächen und aktiver Auseinandersetzung mit diesen Themen an.

Die vorgestellten Spiele eignen sich nicht nur für Teilnehmer, die sich frisch mit agilen Werten und Prinzipien beschäftigen. Die spielerische Auseinandersetzung mit agilen Ansätzen ermöglicht auch erfahrenen Teams, einen anderen Blick auf die eigene Arbeitsorganisation zu werfen und rückt die agilen Prinzipien wieder in den Aufmerksamkeitsfokus.